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Abkommen zwischen Region und autonomen Provinzen
Zu Beginn der Sitzung gedachten die Abgeordneten der kürzlich verstorbenen Maria Bertolini, die zwischen 1973 und 1993 mehrmals dem Regionalrat angehörte.
Maurizio Fugatti, Präsident der Region, informierte den Regionalrat über das Einvernehmensprotokoll zwischen der Autonomen Region Trentino-Südtirol und den autonomen Provinzen von Trient und Bozen. Der Auftrag dazu sei vom Regionalrat erteilt worden, um eine bessere Zusammenarbeit zwischen Region und Provinzen zu erreichen. Das Protokoll sehe die Möglichkeit vor, Konventionen zu einzelnen Bereichen abzuschließen. Zwei gebe es bereits, zur Abfallbewirtschaftung und zur Sanität. Bei der Sanität gehe es um Dienste, die erst ab einem Einzugsgebiet von 1 Mio. Einwohnern sinnvoll sind, z.B. Protonentherapie, Stammzellentherapie, Krebstherapie im HNO-Bereich u.a.
Arno Kompatscher, Vizepräsident der Region, bezeichnete die Zusammenarbeit der drei Institutionen als Gebot der Stunde, es müssten Zahleneffekte genutzt und notwendige Synergien erreicht werden. Manche Therapien könnten das nötige Qualitätsniveau nur ab bestimmten Fallzahlen erreichen. Es werde noch weitere Kooperationen geben, so in der Verkehrspolitik oder zur Umwelt und wo immer ein gemeinsames Vorgehen bessere Resultate verspreche.
Begehrensantrag Nr. 17 (ehem. Beschlussantrag Nr. 46), eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Urzì, Unterholzner, Cia, Ambrosi und Rossato, mit dem das italienische Parlament und die Regierung aufgefordert werden, den Vorschlag zu den Steuergutscheinen vollständig umzusetzen und die Öffentlichkeit darüber zu informieren.
“Steuergutscheine sind Wertpapiere, die vom Staat zu Kompensationszwecken ausgegeben werden und den jeweiligen Inhabern nach Ablauf von mindestens zwei Jahren und einem Tag nach deren Ausstellung das Recht einräumen, diese zur Begleichung der Steuerschuld zu verwenden”, erklärte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia). “Sie können außerdem unmittelbar als Zahlungsmittel eingesetzt werden, sofern der Empfänger sie auf freiwilliger Basis annimmt. Steuergutscheine oder so genannte „Steuerausgleichszertifikate“ können verwendet werden, um neue Ausgaben zu tätigen, ohne sich dabei zu verschulden, und zwar unter vollständiger Wahrung der europäischen Verträge.” Der Superbonus von 110 Prozent sei das erste Anwendungsbeispiel, er habe zu Mehreinnahmen für den Fiskus geführt, müsse aber vereinfacht werden.
Giorgio Tonini (Partito Democratico) zeigte sich skeptisch, auch weil der Antrag zu allgemein gehalten sei. Die Weimarer Republik wie auch der Staat Kalifornien hätten gezeigt, dass solche Instrumente auch gefährlich sein könnten. Steuerguthaben würden als Passivität gezählt und vergrößerten den Schuldenstand des Staates, auch vor der EU. Auch die Notenbank habe ihre Bedenken. Er kündigte seine Gegenstimme an.
Auf Antrag von Mirko Bisesti wurden die Arbeiten für eine Beratung unter der Mehrheit unterbrochen.
Präsident Maurizio Fugatti erklärte sich einverstanden mit dem Anliegen des Antrags, forderte jedoch eine vorsichtigere Formulierung: Der Staat solle prüfen, ob sich das System des Steuerbonus ausweiten lasse. Urzì erklärte sich mit der Änderung einverstanden.
Auch Giorgio Tonini sah darin eine Verbesserung und kündigte Stimmenthaltung an. Die Steuerkredite hätten ihre Probleme, aber in Wahlkampfzeiten würden sie gerne versprochen.
Der Begehrensantrag wurde mit 29 Ja und 15 Enthaltungen angenommen.
Beschlussantrag Nr. 29, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Urzì, Cia, Rossato und Ambrosi, um die Regionalregierung zu verpflichten, bei der italienischen Regierung und dem gesamtstaatlichen Parlament vorstellig zu werden, auf dass die vorbehaltslose und einheitliche Anerkennung, der Schutz und die Unterstützung - in wirtschaftlicher, arbeitstechnischer, vorsorgerechtlicher, ausbildungstechnischer, gesundheitlicher und sozialer Hinsicht - der pflegenden Angehörigen, auch durch die Genehmigung eines staatlichen Rahmengesetzes, festgeschrieben werden und die Möglichkeit überprüft werde, außerordentliche Initiativen zum Schutz der pflegenden Angehörigen angesichts der Corona-Pandemie zu ergreifen.
“Vorausgeschickt, dass die Corona Pandemie zu einer sozialen und physischen Isolation geführt hat und allem voran das Alltagsleben von alten Menschen, Menschen mit Beeinträchtigung und der sie pflegenden Familienangehörigen sehr hart auf die Probe stellt”, erklärte Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia). “Aus diesem Grund ist es umso wichtiger, die Möglichkeiten der häuslichen Pflege noch weiter auszubauen. Darunter fällt auch die Tätigkeit des „pflegenden Angehörigen“ oder „caregiver“, sprich der Person, die sich freiwillig und unentgeltlich im häuslichen Umfeld um einen ihr nahestehenden, aufgrund verschiedener Beeinträchtigungen pflegebedürftigen Menschen kümmert. Die Leistungen werden unentgeltlich und freiwillig ausgehend von emotionalen Bindungen erbracht. Der pflegende Angehörige wird den emotionalen, zwischenmenschlichen und Sicherheitsbedürfnissen des geliebten Menschen gerecht, kümmert sich um die Verwaltungsangelegenheiten, ist Ansprechpartner für die Mitarbeiter der Betreuungsdienste und hilft der betreuten Person – direkt oder unter Mithilfe von Dritten – bei der Erledigung der Alltagstätigkeiten.” Diese Personen müssten unterstützt werden, es seien ihnen Rechte anzuerkennen, “wie etwa das Recht auf Information, Ausbildung, auf Entlastung und Unterstützung in Notsituationen, Anerkennung der erworbenen Fähigkeiten, auf Formen der Steuerbefreiung für die Pflegekosten und eine Politik der Vereinbarkeiten.” Urzì beantragte schließlich die Streichung von Punkt 2 des Antrags, der finanzielle Zuwendungen vorsieht.
Magdalena Amhof (SVP) erinnerte an die Möglichkeit für pflegende Angehörige, um Beiträge anzusuchen, und kündigte das Nein ihrer Fraktion zum Antrag an. Die Materie sei Zuständigkeit der Region und der Provinzen, nicht des Staates.
Alessandro Urzì reduzierte daraufhin seinen Antrag auf den reinen Vorsorgeaspekt, der in die Kompetenz des Staates falle: eine Rentenabsicherung für pflegende Angehörige.
Nach einer Beratung innerhalb der Mehrheit gab die Regionalregierung keine Stellungnahme zum Antrag ab.
Magdalena Amhof kündigte das Nein ihrer Fraktion an, da die Materie vorrangig nicht in die Zuständigkeit des Staates falle.
Giorgio Tonini kündigte Stimmenthaltung an. Der Antrag gebe keine finanzielle Deckung für die geforderten Ausgaben an. Es sei scheinheilig, einfache Versprechungen für komplexe Probleme zu machen.
Ugo Rossi (Unione per il Trentino) zeigte Verständnis für diesen Einwand. Es gebe jedoch die Möglichkeit für Region und Provinzen, in diesem Bereich zu intervenieren. So sei z.B. ein Beitrag für die Pflege eingeführt worden.
Die Linke habe ihre soziale Ader verloren, kritisierte Alessandro Urzì. Sie beschränke sich auf buchhalterische Einwände, anstatt die Aufgaben der Politik wahrzunehmen.
Sara Ferrari (PD) kündigte ihre Gegenstimme an. Es sei der Umweg des Oppositionspolitikers Urzì, um im Parlament eine andere Mehrheit zu erreichen. Das Anliegen des Antrags werde bereits von anderen Parteien vorangebracht, unter anderem vom PD.
Der Antrag wurde mit 9 Ja, 28 Nein und 11 Enthaltungen abgelehnt.
Beschlussantrag Nr. 30, eingebracht von den Regionalratsabgeordneten Urzì, Rossato, Cia und Ambrosi, um die Regionalregierung zu verpflichten, unter Mitwirkung der Bürger zu überprüfen, ob das geltende Regionalgesetz über die örtlichen Körperschaften noch aktuell ist, um zu gewährleisten, dass jede Sprachgruppe ihre eigenen Vertreter in den Gemeindeorganen bestimmen kann.
Alessandro Urzì (Fratelli d’Italia) verwies auf den Gemeindeausschuss von Franzensfeste, in dem die italienische Sprachgruppe durch ein SVP-Mitglied vertreten ist. Die SVP sei aber laut ihrem Statut die Sammelpartei der deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler. In der Gemeinde Brenner sei der Vorschlag von Fratelli d’Italia abgelehnt und stattdessen mit den Stimmen der SVP eine erklärte Italienerin von außen in den Ausschuss berufen worden. Mit den derzeit geltenden Regeln wähle sich die SVP immer den ihr genehmen Italiener. Es könne in Zukunft jedoch auch passieren, dass die SVP Italiener - oder Personen, die sich als Italiener erklären - auf die Kandidatenliste für den Landtag setze und diese dann in die Landesregierung wähle. Damit könnte sie auch unangenehme Koalitionspartner verzichten.
Riccardo Dello Sbarba (Grüne) räumte ein, dass Urzì echte Probleme aufgeworfen habe. Das Statut sehe die Vertretung der Sprachgruppen vor und stütze sich dabei auf die Sprachgruppenerklärung. Es sei ein Fortschritt, wenn die ethnische Trennung überwunden werde und wenn sich die Parteien an alle Sprachgruppen wenden könnten. Aber man müsse aufpassen, dass keine Sprachgruppe die andere übervorteile, auch wenn der Vorgang rechtlich in Ordnung sein sollte. Es wäre sinnvoll, die Regeln nachzubessern, ohne die inzwischen erfolgte Öffnung über Bord zu werfen.
Carlo Vettori (Forza Italia) gab Dello Sbarba recht. Urzì stelle die Situation in Südtirol so dar, als müssten die Italiener den Davidstern tragen. Die Gemeindeordnung sehe bereits die Sprachgruppenvertretung im Ausschuss vor. Die Bildung der Gemeindeausschüsse sei Sache politischer Verhandlungen.
Vizepräsident Arno Kompatscher kündigte das Nein der Regionalregierung an. Es bestehe kein besonderer Handlungsbedarf, auch nicht zu den Beispielen, die Urzì genannt habe. Es stehe nirgends, dass ein SVP-Vertreter sich nicht für die italienische Volksgruppe einsetzen dürfe. Es sei hingegen seine Pflicht, sich für alle einzusetzen. Es sei nirgends festgelegt, wer eine Sprachgruppe vertreten könne. Kompatscher sprach sich gegen eine Änderung des Vertretungsrechts aus, wobei aber eine gute Zusammenarbeit immer wünschenswert sei. Die Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung sei eine Willenserklärung, es wäre auch schwer, die Wahrheit festzustellen.
Alessandro Urzì sah die Debatte positiv. Wenigstens seien die Positionen geklärt worden. Die SVP sei für den Status quo, weil sie davon profitiere. Sie habe sich immer dagegen gewehrt, einen Deutschen, der nicht ihr angehört, in die Landesregierung aufzunehmen. Gleichzeitig beanspruche sie aber das Recht, sich die richtigen Italiener auszusuchen. Vettori sei ein solcher, er sei immer mit allem einverstanden. Man sollte mehr auf den Geist des Statuts schauen, auf das Prinzip des Vertretungsrechts der Sprachgruppen. Was derzeit geschehe, sei Diskriminierung.
Carlo Vettori protestierte gegen Urzìs Worte, der ihn als Marionette hinstelle. Im Regionalrat sollten solche Äußerungen nicht geduldet werden.
Vizepräsident Arno Kompatscher protestierte dagegen, dass Urzì Südtirol als Diktatur hinstelle. Wenn eine Partei genügend Stimmen bekomme, um die Sprachgruppenvertretung abzudecken, dann sei das demokratisch.
Riccardo Dello Sbarba kündigte an, nicht für den Antrag zu stimmen. Er erinnerte daran, dass es bei Regierungsbildungen vor allem um Politik gehe, nicht nur um Quoten. Wenn die SVP nicht mit Fratelli d’Italia regieren wolle, könne sie das tun, solange sie die Gesetze einhalte. Die Grünen würden in einigen Gemeinden deutsche Referenten stellen, weil sie dort die nötige politische Stärke hätten und die SVP es nicht verhindern könne. Gleichwohl wäre er für eine Änderung: Wie für die Ladiner könne man auch für die anderen Sprachgruppen eine Vertretung gewähren, die über den Proporz hinausgehe.
Carlo Vettori kündigte das Nein seiner Fraktion an. Es gebe im Statut ein Vertretungsrecht der Sprachgruppen und dies werde eingehalten.
Sandro Repetto (Demokratische Partei) kündigte Enthaltung an. Er wies darauf hin, dass der Proporz in der Bevölkerung nicht unbedingt mit jenem in den Ratsstuben übereinstimme, auch wegen der Zuordnungsmöglichkeit bei der Sprachgruppenerklärung. Vorliegender Antrag werde das Problem nicht lösen.
Alessandro Urzì stellte fest, dass einige das Problem anerkannt hätten, während andere nicht von ihrer Position abrücken wollten. Er beantragte schließlich die Vertagung des Antrags und kündigte eine neue Fassung an.
Die Arbeiten werden um 15 Uhr wieder aufgenommen.